„Wir sind ins kalte Wasser gesprungen“

Als Wahrer der schwäbischen Tradition hoffen Gabi und Frank Schäfer von der Tauberquelle, dass auch ein jüngeres Publikum Schnitzel und Kartoffelsalat wieder lieben lernt.

Klappernde Bodenfliesen und schiefe Wände, auch das macht für die “Tauberquellen”- Wirtin Gabriele Schäfer den Charme einer echten schwäbischen Wirtschaft aus. “Und natürlich der Dialekt”, fügt sie in selbigem hinzu. Einst war “die Gabi” selbst Kellnerin in den Räumlichkeiten am alten Stadttor, gemeinsam mit ihrem Mann Frank ist sie aber seit 2011 die Herrin im Haus.

Den Namen soll das seit 1879 genutzte Wirtshaus von Gutsherren aus Rothenburg ob der Tauber haben, die früher stets zu Gast gewesen seien. Bei der Einkehr tränkten die Fuhrleute ihre Pferde am damals noch offenen Nesenbach, der heute als verdeckelter Kanal vorbeiläuft.“ Auch wenn man nicht weiß, ob man den Schwank wirklich glauben soll“, zweifelt Gabi die Historie an. Jedenfalls stillen heute jedenfalls beim gutbürgerlichen Sonntagmittagessen jede Menge ältere Mercedesfahrer den Durst bei Gaby und Frank. Ein Stammpublikum, zu dem auch nach schwäbischer Wirthauskultur dürstende Stuttgart-Touristen stoßen. Da wird der liebliche Anblick von glänzenden Saitenwürstchen schon mal per Selfie-Stick festgehalten und mit Freunden in Seoul oder San Francisco geteilt.

Gabi und Frank fragen sich, wie man schwäbische Küchentraditionen für ein größeres Publikum öffnet und für die nachfolgenden Generationen zugänglich macht. Gabis Idee: Die Jugend durch bodenständigen Preise und einer “Stimmung wie auf dem Oktoberfest” zu binden. Die kommt nämlich ziemlich regelmäßig auf der Dependance der Tauberquelle auf dem Stuttgarter Sommerfest auf, wo sich das Publikum von den Stammgästen im festen Restaurant altersmäßig unterscheidet. “Und wenn man die Jungen mal hat”, hofft Gabi, ”dann kann man sie auch halten.”

Wie man Gäste gut behandelt, darin haben die zwei viel Übung. Was zunächst für beide nur als Nebenjob beginnt, wird bald zur eigenen Geschäftsidee. “Das könnet mir au“, hat Frank irgendwann gesagt. Und tatsächlich, sie können es. 2006 bewirten sie Gäste erstmal mit einem eigenen Stand auf dem Sommerfest. Ab 2007 sind sie auch auf dem Weihnachtsmarkt, danach auch auf dem Stuttgarter Lichterfest und auf dem Heusteigviertelfest.

“Leute in der Gastronomie haben eben alle einen an der Waffel”

Es war vor allem Frank, der dann seinem Traum von einer dauerhaften und eigenen Wirtschaft weiter träumte. Richtig ernst wird es für ihn dann erst 2011. Der gelernte Metzger und zwischenzeitliche Anzeigenverkäufer bei der Bild macht seine Traum-Schlagzeile wahr: „Quereinsteiger übernehmen Jugo-Kneipe“ hätte sie lauten können. Die Schäfers freuen sich, als  sie unerwartet den Zuschlag als Pächter erhalten. „Tja und seither haben wir’s halt an der Backe”, scherzt Gabi.

Wo einst Spielautomaten standen, da isst das Paar an einem der Tische mit den rot weiß karierten Tischdecken zu Abend. „Wir essen schon auch gern mal bei einem Griechen oder so, aber eigentlich auch privat am liebsten schwäbisch.“ Gabi und Frank  geraten bei Kindheitserinnerungen an Rostbraten, Knödel jederzeit und regelmäßig ins Schwärmen. Die eigene Speisekarte der Tauberquelle trägt den Titel „Aus dem Schwabenländle“ und erinnert an eine schwäbische Großmutter, die “Oma Anna“. Sie gibt dem legendären Teller seinen Namen, der gleich drei schwäbische Urgerichte glücklich vereint: Maultasche, Fleischküchle und auch noch Spätzle.

Da fehlt nur noch der Kartoffelsalat, den der Stammkellner Sigfried, der Siggi, prompt serviert. Siggi gehört genauso, wie die rustikalen Holzmöbel, seit 10 Jahren zum festen Inventar des Restaurants.

Doch so harmonisch wie mit  “unserm Siggi“ ging es auf den Straßenfesten und  in der Tauberquelle „weiß Gott nicht immer zu.“ Gabi Schäfer erzählt von cholerischen Köchen und vom Personal, das trinkt, zockt und “b’scheißt. Leute in der Gastronomie haben eben alle einen an der Waffel”, sagt sie und bricht in lautes Lachen aus. “Ja gut, auch ich selbst”, räumt sie ein. “Sonst würden wir all das ja gar nicht packen.”

Gaby und Frank scheinen die Rollen perfekt verteilt zu haben. Er der Frontmann und  Kommunikator, der nie um einen Scherz verlegen ist. Sie, die großgewachsene Chefin und Organisatorin, deren Lachen durch jedes Hörgerät der Stammkundschaft dringt. Ein Paar, das auch unter Stress für jedes Handybild noch freundlich lächelt.

Bei aller Gemütlichkeit und Urigkeit der Tauberquelle – die Schäfers verstehen auch genau die Kalkulation einer modernen Stadtfest-Gastronomie. So haben sie auch als Wirte ja angefangen. “Das erste Sommerfest war für uns  einfach noch eine Nummer zu groß. Aber wir sind da trotzdem ins kalte Wasser gesprungen”, berichtet Frank. Inzwischen sind sie das sechste Jahr auf dem Sommerfest vertreten. Dort, am Eckensee vor der Oper, koordinieren Gaby und Frank ihr bunt zusammengewürfeltes Personal: alte Gastronomiehasen hoppeln dort  mit hauptberuflichen Polizisten und jungen Schüler-Kellnerinnen zwischen Live-Musikern zu den rund dreißig Tischen warten lässt Gabis bunte Truppe dort niemanden lange. Wenn “alles auf Zack” ist, ist das ihr ganzer Stolz.

“Knödel sind aus!” Erst wenn  dieser Schrei aus dem Küchenzelt zu hören ist, weiß man, das Spektakel des Sommerfests neigt sich dem Ende zu. Wenn dann die runden Rücken der Stammkunden gestreichelt, alle Wangen geküsst, die letzten Bilder auf dem Handy sind, dann arbeiten Gaby und Frank Seite an Seite mit ihrer 30-Mann-Crew. Dann werden Pfannen gespült, Plastikstühle zusammengeräumt, das Zelt-Vordach abgebaut. Fest-Gastronomie ist mehr als Bussi- Bussi. Es ist knüppelharte Arbeit. 

Nach den “Tagen des Wahnsinn” kehren Gabi und Frank dann gern zurück in den Alltag der Tauberquelle. Deren kleiner grüner Hinterhof schließt sich schützend um den älter werdenden Freundeskreis der guten schwäbischen Wirtshauskost. Wer hier ein Mittagsschnitzel bestellt, muss danach keine 30 Sekunden warten, bis er das Klopfen aus dem Küchenfenster in den Garten schallt. Im Friteusenfett ertrinkt hier nichts. Wer noch näher am Fenster sitzt und noch gute Ohren hat, kann dann sogar das feine Zischen hören, wenn das hauchdünne Fleisch in die Butterpfanne gegeben wird. Das ist kein Vergnügen für Veganer und kein Ablauf für junge Burgerfans. Gabi und Frank Schäfer hüten eine Oase der Tradition.