“Früher kamen die Väter, jetzt kommen deren Kinder”

In der “Alten Schule” tritt Una McGlave in die Fußstapfen ihres Vaters Bernie, der sein Irish-Pub in Stuttgart-Gablenberg zur Institution gemacht hat.

Sie bringt noch schnell zwei perfekt gefüllte, also fast schaumlose Gläser Guiness an einen der Tische. Dann ruft sie den Vater freundlich, aber sehr bestimmt zum Interview: “Dad, kommst du?” Una McGlave sieht jünger aus als 25. Seit sie 16 ist, “schafft” sie in  der Kneipe ihrer Eltern mit. Jetzt hat sie die “Alte Schule” in Gablenberg übernommen.

1985 schon hat Bernie, ihr Vater, das Lokal zu einem Irish-Pub gemacht. Der Vater aus Glasgow, die Mutter aus Deizisau. Er hängt damals seinen Beruf als Schreiner an den Nagel. Sie kann das “Probierstüble”, das ihrer Großmutter gehört hat übernehmen.

So bringt das Paar unter gemütlichen Holzbalken und einer Menge Blechschildern zwei Klischees zusammen: Geizige Schotten, geizige Schwaben. Aber statt Klischees lehrt die Alte Schule, nach dem Gebäude nebenan benannt, den Genuss des damals noch seltenen Guinness. Ihre trinkfreudigen Stuttgarter Gäste sind Schotten, Iren, Engländer und Rumänen. Grund genug für eine Umbenennung. Alte Schule ist für viele nach ein paar Pint doch schwer auszusprechen. Also wird die Kneipe, stattdessen mit “Beim Bernie” über  ganz Gablenberg hinaus in Stuttgart bekannt.

Was wird jetzt aus der Kneipe, wenn ihr “Gablenberger Dorf” zu ihr, “zur Una” muss, um VfB-Spiele zu schauen, statt zum Bernie? Viel wird sich erstmal nicht ändern. Una erweitert die Karte ein wenig. An ein neues Konzept denkt sie nicht. “Wieso auch?”, mischt sich Bernie ein, “You shouldn’t change your winning team.”

Viel länger als es Una gibt, existiert das Pub also nun schon in dieser Form. Wenn seine Tochter sich nicht bereit erklärt hätte, es zu übernehmen, räumt Bernie ein, ”dann hätten wir eben einfach zugemacht.”

Druck auf sie habe er vermieden. Aber dass das Pub geschlossen wird, stand für sie trotzdem nicht zur Frage. Die alte Schule ist für Una mehr als nur der Stolz des Vaters. Es ist auch Ihrer. “Wir sind hier groß geworden. Hier im Lokal haben wir als Kinder zu Mittag gegessen, wenn die Schule vorbei war,” erinnert sich Una. “Also, gezwungen war ich zu gar nichts”, stellt sie klar.
Die Wirtstochter mit dem glänzenden Haar ist sehr selbstbewusst. Sie weiß das und sagt “Schüchtern ist in der Gastronomie eher schwierig.” Die eintägige Fortbildung war die einzige Hürde, die sie zu nehmen hatte, um auch offizielle Inhaberin zu werden.

Die Eltern helfen noch mit, oft sogar. Die Vorstellung, dass Bernie hier irgendwann nur noch Gast sein könnte, das ist noch weit weg. Für ihn zumindest. Für Una liegt das vielleicht näher. “Ha, die will uns loswerden”, frotzelt der Vater. Der Abschied von der Kneipe ist wie der von einem Kind, das erwachsen ist. Also gilt es, sich neue Ziele suchen. Bernie will nach England, Wales und vor allem in seine Heimat Schottland. Gemeinsam mit seiner Frau hat er sich den alten Traum von einem Wohnmobil schon erfüllt. Er genießt es. Aber eine Frage hat er schon noch: “Was macht man denn jetzt mit der ganzen Freizeit?”

“Schüchtern ist in der Gastronomie eher schwierig”

Die freie Zeit, die er jetzt hat, weiß sie genau, wird ihr bald fehlen. Denn für Una ändert sich alles. Vom Studentenleben zum harten Gastro-Alltag. Zwar schreibt sie gleichzeitig noch ihre Bachelorarbeit in Anglistik und Geschichte. Die ohnehin schon losen Pläne wirft sie über’n Haufen.

Zur Entlastung fehlt ihr noch genau die flexible Arbeitskraft, die sie und ihr Bruder damals für ihre Eltern darstellten. Ohne festangestellten Koch putzen die beiden in der Küche selbst den Salat, klopfen Schnitzel parallel zum dem turbulenten Ausschank bei Fußball-Übertragungen, Live-Musik oder beim Klassiker der “Alten Schule” – für Una und ihren Geschäftspartner Marcel ist das eine Herausforderung.

Genauso wie das Pubquiz, das die Kneipe jeden Montag füllt. Dann wird in Teams um die Ehre und den großen Hauptgewinn geraten: Eine Flasche Whiskey, wie auf der Karte steht,zur beliebigen Verwendung”. Doch wer als Trostpreis keine Tüte Chips bekommen will, sollte für die Fragen nüchtern bleiben. “Die Fragen haben’s in sich”, gibt Una zu. Wer Erfolg haben will, sollte ein möglichst gemischtes Team zusammenstellen. Auch hier profitiert man von mehreren Generationen. “Jung und alt können eben verschiedene Fragen gut beantworten.“

Einig sind sich Una und Ihr Vater vor allem in einer Sache. Sie wollen das Pub vor der Systemgastronomie bewahren. Daheim in Glasgow, erzählt Bernie, sei schon alles anders. Pubs seien dort nur noch als Teil von Ketten, die großen Brauereien gehören. Niemand bediene dort mehr. Das würde hier nicht funktionieren, erklärt er. ”Meine Generation setzt sich hin und will bedient werden.”

Das Publikum “beim Bernie”, ist mit dem Wirt gealtert. Schmunzelnd gibt er zu: “Als ich jung war, waren auch die Leute jung.” Aber: “seit es jüngere Kellner gibt, kommen auch jüngere Gäste”, wirft Una ein. “Früher kamen die Väter, jetzt kommen deren Kinder”, stimmt er zu. Ein Generationenwechsel, der offensichtlich harmonisch verläuft. Früher zapfte der Vater das Guinness, jetzt die Tochter. Ganz alte Schule.