“Mein Traum war immer, unabhängig zu sein”

Constantin Karras, der “Grieche am Luftbad”, ist auch nach mehr als dreißig Jahren als Wirt alles andere als müde.

Zwischen Fernsehturm, Fußballplätzen und der neuen U-Bahnhaltestelle “Waldau” liegt seine “grüne Oase”. Contantin Karras, den sie hier Kostas rufen, nennt sich selbst den “Griechen im Grünen”.  Sein Gartenlokal ist mit hellenischen Skulpturen und großen Pflanzenkübeln dekoriert. Es liegt gegenüber vom legendären Luftbad, dessen hoher Holzzaun die letzten Stuttgarter Anhänger der Freikörperkultur beim Sonnen vor neugierigen Blicken schützt.

Der Wunsch nach neuen Horizonten brachte einst auch Kostas nach Deutschland. Nach dem Abitur hat er seine Heimat Griechenland verlassen und kam nach Stuttgart, um in Hohenheim Lebensmitteltechnologie zu studieren. Schon bald  arbeitete er nebenbei als Kellner in verschiedenen Restaurants. “Irgendwie musste ich ja mein Studium finanzieren”, erzählt Kostas. Zwischen Uni und Nebenjob hin- und hergerissen, traf er dann die Entscheidung zur Selbstständigkeit recht schnell: “Ich dachte mir, wenn ich schon so viel in der Gastronomie arbeite, warum mache ich das nicht für mich selbst?”  

Bedenken und Ängste waren natürlich schon da. Aber für Kostas gab es noch einen Plan B: “Wäre es schief gegangen, hätte ich immer noch irgendwo anders als Kellner arbeiten können.” Also übernahm er dann das einstige Vereinsheim an der Waldau – vor jetzt genau 31 Jahren. Er krempelte das komplette Konzept um und suchte sofort neues Personal. “Am ersten Tag haben wir aber nur ein Essen verkauft”, erinnert er sich. “Ich war mein einziger Gast.”

“Ich dachte mir, wenn ich schon so viel in der Gastronomie arbeite, warum mache ich das nicht für mich selbst?”

Für Kostas war klar: “Ich wollte alles besser machen. Und ich wusste auch, dass es dafür einen langen Atem braucht.” Die  Vorgänger hatten nicht unbedingt den besten gastronomischen Ruf. Kostas wollte schnell weg vom Image des typischen Sportverein-Lokals. “Ich wollte aus dem alten Vereinsheim einen Ort für jeden schaffen. Mein neues Konzept sollte nicht nur ein bestimmtes Klientel ansprechen”, erklärt er.

Den Traum von der Unabhängigkeit überschatteten noch eine Weile Zweifel. Ein Umbau war zwingend und das Geld war knapp. Trotzdem nahm der “Grieche am Luftbad” bald neue bauliche Gestalt an. Es ging Schritt für Schritt. “Wir haben in das Lokal Geld gesteckt, das wir eigentlich selber nicht hatten”, bekennt Kostas. Mit “wir” meint er sich und seine Frau Anastasia, die ihn von Anfang an unterstützte. Auch sie hatte schon als ganz junges Mädchen in der Gastronomie Erfahrung gesammelt. Vom ersten bis zum heutigen Tag kocht sie nun im eigenen Restaurant. Es gibt klassische schwäbische Küche – und natürlich die “Gerichte aus der griechischen Heimat”: Alles von leichten Vorspeisen bis zu den kräftigen Grillplatten mit den wohl besten knusprigen Scheibenkartoffeln der Stadt.

Beständigkeit in der Qualität ist für Kostas wichtig. Wenn ihn die Gäste ab und an fragen, warum das Essen über Jahrzehnte immer gleich gut schmeckt, scherzt er: “Ich habe einfach seit 31 Jahren die gleiche Frau.“

Die Grün- und Höhenlage auf dem riesigen Degerlocher Sportgelände Waldau ist ein Vorteil. Kostas Konzept ging auf. Heute treffen dort Freizeitsportler, Rentner, Degerlocher Urbevölkerung, Geschäftsleute und junge Ausflügler aus dem Kessel der City aufeinander.

Die Bindung zu seinen Gästen ist ihm sehr wichtig, Kostas kennt seine Gäste genau. Alle, die ihn kennen, nennen sein Gedächtnis phänomenal. Manche Gäste prüfen es sogar zum Spaß, in dem sie ihre Bestellungen absichtlich vielseitig gestalten. Kostas notiert dann wie immer – nämlich überhaupt nichts. Aber dann sagt er abschließend auch den Zehnertisch mit seinen vielen Extras vollständig und vollkommen fehlerfrei auf.

Kostas erinnert sich gut und auch gerne. Er blickt ja auf eine lange Zeit mit vielen treuen Gästen zurück. “Eigentlich könnte ich selber ein Buch schreiben, wenn ich die Zeit dafür hätte”, bedauert er. “Ich habe in den Jahren hier schon so viele Kinder hier groß werden sehen”.  Auch sein eigenes. Sein Sohn Petros arbeitet mit in der Gastronomie. Die spätere Übernahme ist fest geplant. Petros hat Betriebswirtschaftslehre studiert. “Für meinen Sohn wird es einfacher sein, er übernimmt dann ein gut laufendes Geschäft und muss nicht von vorne anfangen, wie ich damals”, sagt Kostas.

Aber erstens ist bis zur Pension ist ja noch Zeit. Dann in Ruhe irgendwo sitzen zu müssen, ist für Kostas gar keine Option: “Naja, es gibt doch immer etwas zu erledigen, Bestellungen, Warenannahmen, ich werde meinen Sohn da schon noch lange unterstützen, aber in Maßen.”

Im Sommer ist “Der Grieche im Grünen” jeden Tag geöffnet, in den Wintermonaten kommt Kostas an den geschlossenen Montagen etwas zur Ruhe: “Am liebsten bin ich dann zuhause und ruhe mich aus”, sagt er. “Gerne mache ich auch kurze Ausflüge an den Bodensee”. Das Meer, auch das schwäbische, beruhigt ihn. Später will sich Kostas einen weiteren Traum erfüllen: Griechenland bereisen. “Ich war schon sehr jung, als ich nach Deutschland kam. Ich hatte keine Gelegenheit dazu, meine Heimat zu erkunden. Das will ich nachholen, wenn es die Gesundheit im Alter noch zulässt.”

Die Zeit für lange Reisen fehlt Kostas schon. Halb lachend sagt er: “Die Gastronomie ist ein freiwilliges Gefängnis.” Den Abbruch seines Studiums, die Mühen auf dem Lebensweg bereut er trotzdem nicht. “Mein Traum war es, unabhängig zu sein. Mir macht der Beruf bis heute Spaß.”