© Alejandra Loreto

 

„Ich mache hier genau das, was ich immer wollte“

Ralf Groher will, dass die „Die Bar“ im Stuttgarter Westen ein entschleunigter Ort für die persönliche Begegnung bleibt.

Bereits im allerersten Satz des Interviews wird Ralf Groher philosophisch und formuliert druckreif, warum er Wirt der “Bar” im Stuttgarter Westen wurde: “Plan, Traum und Gelegenheit haben zusammengefunden. Genau hier. So einfach ist das.”

Einfach? Nicht ganz. Seit 2001 ist er jetzt in der “Bar”. “Zu klein, hohe Pacht, extrem viel arbeiten, bescheidener Verdienst”, so komprimiert Groher, was mit der Gründung auf ihn zukam. Und er erinnert an einige betriebswirtschaftliche Lektionen. Buchstabieren lernen, was EnbW, GEMA, DEHOGA, BGN und Bundesknappschaft bedeuten. Den Steuerberater aushalten, wenn der die “hohe Kapitalbindung” kritisiert – die Zehntausende von Euros, die in Spirituosen der allerfeinsten Art investiert wurden, um jederzeit allen Gästewünschen und den eigenen hohen Qualitätsansprüchen genügen zu können. “Das ist eine Investition wie in ein gutes Auto”.

Die heftigste aller Lektionen war für Groher die saisonale Schwankung: “Wir mussten erst lernen, über ein ganzes Jahr zu wirtschaften.” Groher findet es zwar nicht schön, wenn am Freitag- und Samstagabend im Winter kaum noch Stehplätze in der kleinen Location zu finden sind. Die Winter und die Wochenenden müssen einfach sehr gut laufen. Denn die Sommer sind mau. Groher hat mitgezählt: “Dreimal in den 15 Jahren habe ich es jetzt erlebt, dass im Sommer gar kein einziger Gast kam.”

Er hat es überlebt. Es hat sich einiges geändert in Stuttgart bei den Bars. “Vor 15 Jahren war das noch Entwicklungsland.” Gute Drinks konnte man nur in einigen wenigen Bars der Spitzenhotels finden. Das Interesse an der Barkultur ist gewachsen. “Wir wissen viel und geben viel Wissen weiter”, sagt Groher.

Auch in den zusätzlichen Seminaren, die Groher in seiner Location gibt: Whiskey, Rum, Cocktails. Wenn Groher um “Tastings” und “Advanced Seminars” gebeten wird, verlangt er echtes Interesse. Auch von den “Junggesellinnen”, für die Groher auf seinen Tischen neben feinsinnigsten Drinks auch schon einmal einen einbestellten Stripper mit “schlechten Tattoos auf geöltem Körper” hingenommen hat.

Nichts Menschliches ist ihm als Wirt fremd. Auch nicht Enttäuschungen beim Personal, in das er manchmal zuviel Hoffnung und Vertrauen gesteckt hat. “Aber…” Grohes Zippo klickt schon wieder und er nimmt erstmal einen ganz langen und tiefen Zug an seiner Reval. “Ich betrachte das hier nicht als Arbeit.” Denn: “Ich mach hier genau das, was ich immer wollte. Eine Bar und Musik.”

Die Musik gehört dazu, um Grohers Weg als Wirt zu verstehen. “Ich habe schon immer Musik gemacht und sie hat mich immer wieder in die Gastronomie gebracht.” Eine erste Station, die das verkörpert hat, war die Weinhandlung mit angrenzendem Probenraum.
Immer wieder spielt er, in wechselnden Kombinationen. Seitdem der Laden gut läuft, geht Groher jetzt im Sommer sogar auf Tour. Er tingelt dann in kleineren Clubs in Südfrankreich und in Nordspanien. Er spielt Trompete und singt. Alles was ihm Spaß macht. “Jazz, Bossanova, Country, Folk, Polka.”

Er setzt auch in der Bar auf Musik: “Mit der Musik kannst du die emotionale Entwicklung und Dramaturgie eines ganzen Abends steuern.“ Aber nicht alleine. Musik, Drinks, Licht, Service – das muss ein harmonischer Vierklang sein. Und auf das gute Gefühl des Gasts kommt Groher eben alles an. Die Gäste sollen hier Zeit haben. Für sich selbst, für die Freunde.
Dafür soll die “Bar” ein “entschleunigter Ort” bleiben.

Sie soll frei bleiben von Internet, frei von “Marketing- und Telekommunikationsterror”. Deshalb duldet Grohe in der “Bar” keine Promotion-Aktivitäten: “Ich hänge hier garantiert keine Werbeschilder auf. Die Leute, die hierher kommen, heißen Gäste, nicht Kunden”. WLAN gibt es auch nicht. “Kommunikation ist das allerwichtigste. Nicht mit Bildschirmen, sondern zwischen Menschen”.

Groher hat noch weitere Aversionen. Zum Beispiel eine sehr heftige gegen pseudoprofessionelles Gehabe hinter dem Tresen. “Sich ganz cool zu finden und einen arroganten Umgang mit den Gästen zu pflegen, nur weil man mit dem Shaker umgehen kann.“ Das gewöhnt er seinen Leuten ab. Und bestellt jemand nur ein Bier, wird er nicht naserümpfend aus dem Raum gewiesen.

Großmannssucht auf der anderen Seite des Tresens nervt Groher genauso. Die Magnumflasche Champagner, auf die natürlich die allseits sichtbare Wunderkerze drauf muss, ist ihm “körperlich peinlich”.

Überhaupt. “Der Schwabe ist ganz hart zu nehmen,” sagt der Stuttgarter Groher. “Ganz reichen Leuten ist es hier nicht schick genug. Ganz hippen Leuten ist es hier nicht hip genug. Den Doofen ist bei uns zu speziell.” So geht Groher in der Bar einen anderen Weg. Qualität zu einem immer noch “fairen Preis”, den die sparsamen Menschen in einer der “reichsten Städte Deutschlands” akzeptieren.

Wenn man im Gastgewerbe aber richtig Geld verdienen wolle, empfiehlt Groher, “einfach Investor in die Systemgastronomie zu werden.” Die hält er für “einfach einen weiteren Industriezweig.”

Das ist aber nicht seine Welt.  Bei der Frage, worauf es ankommt in der Gastronomie, macht Groher wieder einen ganz tiefen Zug an der Zigarette. Und formuliert dann einen weiteren philosophischen Dreisatz: “Geduld. Entspanntheit. Zurückgelehnt sein.” Die Gäste sollen sehen, dass man den Job mit Freude und “stiller Leidenschaft” macht, ihnen zuliebe. ”Das zahlt sich wirtschaftlich aus.”

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