“Ich wollte immer nur, dass die Leute zufrieden sind”

Original schwäbische Küche hat Burhan Sabanoglu vom Murrhardter Hof zum bekanntesten türkischen Wirt in Stuttgart gemacht.

Eigentlich könnte sich Burhan Sabanoglu bequem zurücklehnen. Auf der Bank draußen an der Hauswand vom Murrhardter Hof, dort wo die berüchtigte Leonhardstraße in den Wilhelmsplatz mündet. Er könnte in Ruhe die Flaneure taxieren und seinen Gästen zuschauen, wie sie im Sommer unter den Platanen vor seiner Traditionsgaststätte Kartoffelsalat, Spätzle, Maultaschen und Zwiebelrostbraten genießen.

Aber Burhan will nicht einfach “nichts tun”. Obwohl er doch alles geschafft hat was ein Wirt schaffen kann. Er hat seine dritte eigene Gastronomie zu einem sehr gut besuchten Treffpunkt all derer gemacht, die mitten in Stuttgart richtig gutes schwäbisches Essen wollen. Zu ihm, dem dadurch bekanntesten türkischstämmigen Gastronomen der Stadt, kommen auch die, die nicht unbedingt ganz sparsam sein müssen. Alles was an Ruhm und Ehre für einen Wirt denkbar ist, hat Burhan erreicht. Eine Zeitung lädt ihn stolz zu ihrem Jubiläum – ihn, der doch schon “für Gorbatschow und Lothar Späth gekocht” habe. In den Murrhardter Hof kommen die VfB-Profis und natürlich auch der andere anatolische Schwabe, Grünen-Chef Cem Özdemir.

Burhan Sabanoglu hat buchstäblich bei Null angefangen. Aus der Türkei brachte er 1970 nichts weiter mit als den sprichwörtlichen Holzkoffer und den festen Willen, mit harter Arbeit das Beste aus dem Leben in Deutschland zu machen. Und natürlich hatte er eine grundsolide Ausbildung im Gepäck. Darauf ist er heute noch stolz. Im Hilton in Istanbul hat er Koch gelernt, damals Ende der sechziger Jahre, als die Stadt am Bosporus gerade erst zwei Millionen Einwohner hatte.

“Was Du lernst, kann Dir niemand wegnehmen.” Und nie sei er mit dem Lernen fertig gewesen. Burhan betrachtet eigentlich den größten Teil seines Lebens als Lehrjahre – seine Zeit im Parkhotel, im Bierhaus West, in der ersten eigenen Gaststätte Riegraf am Feuersee. Dort fing er an, die Schwaben mit seinen Maultaschen zu beeindrucken. Was er ab 1996 im Stuttgarter Osten, in den Schwäbischen Schlemmerstuben, fortsetzte. Und jetzt seit neun Jahren am Wilhelmsplatz zu stadtbekannter Perfektion weiterentwickelt hat.

Burhan Sabanoglu ist nicht nur in den meisten Stadt- und Restaurantführern gut besprochen. Seine berufliche Karriere und sein Weg in die Mitte der Stuttgarter Gesellschaft finden ihren Nachhall regelmäßig auch in Artikeln, Magazinen und Büchern zum Thema Integration. Soviel Anerkennung im Schwabenland tut ihm gut. Sie ist selten, wie er nur zu gut weiß. Er bleibt lieber bescheiden: “Ich habe eigentlich kein besonderes Ziel gehabt. Ich wollte meine Arbeit gut machen. Dass die Leute halt zufrieden sind.”

Das könnte er ja auch selbst sein. Für den Ruhestand gebe es für Burhan zudem noch einen weiteren Grund. Er hat, was nicht jeder andere Wirt hat oder behält. Einen Sohn, der die Unternehmensnachfolge antritt. Und der es nicht mehr nötig hat, einen Generationenkonflikt auszufechten. Fuat Sabanoglu würde es seinem Vater gönnen, kürzer zu treten.

Aber Burhan will ja immer noch etwas anderes. Mit nun über siebzig Jahren lässt er es sich nicht nehmen, jeden Tag in aller Herrgottsfrühe mit dem Auto zum Einkauf aufzubrechen. Das ist seine Domäne. Hier führt er energisch und lustvoll Regie. Einkauf ist für Burhan der Schlüssel zum Erfolg: “Ich muss immer wissen, wo ich die gute Ware kriege und was die kosten darf.” Jeden Tag auf’s Neue “studiere” er das ganz genau. “Gutes Fleisch einkaufen musst du lange lernen. Dabei ist es einfach.” Er lacht: “Ich verlange das Beste und bekomme auch den besten Preis.”

“Ich muss immer wissen, wo ich die gute Ware kriege und was die kosten darf”

Die Lieferanten lieben Burhan. “Im Großmarkt oder bei der Metro, jeder kennt ihn da. Das ist seine Welt,” sagt Sohn Fuat. Er berichtet, dass ihn knapp 30 Meter Fußmarsch an der Seite des Vaters im Großmarkt meistens eine Viertelstunde oder mehr kostet. Alle gilt es zu grüßen, Hände zu schütteln, nach dem Befinden der Familien zu fragen. Und natürlich auch, stolz den eigenen Sohn vorzustellen.

Burhan wäre aber ein schlechter Vater, wenn er sich nicht doch ein wenig Sorgen machen würde. Ob denn der Sohn, mit dem er auf Zeitungsfotos so gerne gemeinsam in die Kamera lächelt, wirklich schon alles kann, was er können müsste? Wie viele Gründerväter glaubt Burhan, dass die “ganz harte Schule des Lebens” und das Dienen in anderen Betrieben “einfach dazugehöre.”

Fuat Sabanoglu, der sehr wohl eine Ausbildung absolviert hat, besitzt zum Glück in gleichem Maß Selbstbewusstsein wie Vaterliebe, um mit Burhan souverän umzugehen. Er freut sich über die öffentliche Anerkennung für seinen Vater. Und er ist ihm dankbar. “Das hier ist sein Lebenswerk, das hat er doch aufgebaut. Also gehört er immer hierher.” In die Küche, hinter den Tresen oder eben doch langsam öfter mal auf das “Bänkle” vor dem Haus.