„Manche Sachen musst Du halt planen“

Stefan, danke dass Du Zeit hast für ein Gespräch. Den ersten Andrang vom Frühstück hast Du ja abgearbeitet…Du kannst das Handy ruhig anlassen.

Nein, nein, das Handy muss aus sein bei einem Interview. Das habe ich bei meiner früheren Arbeit im Tonstudio gelernt, in dem wir für eine der größten Werbeagenturen der Welt gearbeitet haben. Das war in Frankfurt…

Wie kommt es, dass Du das nicht mehr machst, sondern eine Kaffeerösterei in Stuttgart-West betreibst?

Die Arbeit im Tonstudio habe ich neun Jahre mit sehr viel Spaß gemacht. Dann kam ich zum Studium nach Stuttgart an die Hochschule der Medien zu einem betriebswirtschaftlichen Studium. Ich wollte aber bald die Seiten wechseln. Ziel war, als Produzent zu arbeiten. Fernziel: Eine Kaffeerösterei. Mit Kaffee beschäftige ich mich schon über 20 Jahre und damals hat es als Hobby angefangen. Ich habe schon immer gerne Kaffee getrunken, habe die  unterschiedlichsten Kaffeesorten kennengelernt und meinen eigenen Kaffee schon früh im Ausland bestellt. So habe ich mich quasi europaweit durch die Röstereien getrunken. Neben der Botanik habe ich mich auch mit den Besonderheiten der unterschiedlichen Anbaugebieten auseinandergesetzt. Schließlich habe ich auch Plantagen besucht, zuletzt erst mit einem meiner Mitarbeiter. Wir waren in Mexiko, El Salvador und Guatemala und haben dort acht Fincas besucht; drei davon waren schon unsere Partner – eine weitere haben wir als Lieferanten dazugewinnen können. Diese Reisen zum Ursprung des Kaffees lagen mir sehr am Herzen.

Wie kam es dann zum ersten Schritt?

Das Studium an der Hochschule der Medien war eine der besten persönlichen Erfahrungen im Leben. Im Anschluss daran wurde mir jedoch klar, dass ich nicht mehr bereit war, in ein neues Hamsterrad zu springen. Es war mehr eine Frage der Motivation und der Energie, etwas Neues anzuschieben und weniger die des Geldes. Ich habe dann einen gut dotierten Job ausgeschlagen und stattdessen beschlossen zu Kellnern.

Ich habe im Café Moulu hier in Stuttgart als Barista und Servicekraft gearbeitet. Ganz bewusst, um mich selbst fit zu machen. Zwar war ich viel in der Gastronomie unterwegs und habe auch anregende Gastronomen als Freunde, aber mich interessierte die Praxis. Wie setzt man ein Konzept konsequent um. Das war eine superwichtige Erfahrung. In den anderthalb bis zwei Jahren habe ich so auch mein Netzwerk erweitert, bin auf Schulungen gegangen, habe wirklich viel gearbeitet. Vor allem auf mein Ziel hin, aber es war dann doch ein besonderer Moment, ein Gefühl, als ob sich innerlich ein Schalter umlegt, als es dann soweit war…

Wie hast Du die Location gefunden?

Parallel zum Kellnern habe ich mich nach geeigneten Räumlichkeiten für meine eigene Rösterei umgesehen. Hier war z.B. früher mal eine Milchhandlung drin. Später dann wechselnde Mieter und auch ein griechischer Gemüsehändler. Dann kam der Heimathafen – auch ein kleines Café, das vor allem auf den Mittagstisch gesetzt hat. Und dann hat mich irgendwann die Kunde erreicht, dass das hier frei wird… Ja, auch in der Gastronomie braucht man Glück, aber ich habe das Gefühl, dass ich mir mein eigenes Glück auch ein Stück weit erarbeitet habe. Wenn das Schicksal möchte, dass etwas passiert, dann passiert’s auch!

Wie war das wirtschaftlich, mit dem Startkapital? Hast Du Dir einen Businessplan und eine Anlaufstrecke geplant?

Ich ging in Verhandlungen mit einer Bank und mit meinem Businessplan, den ich nach dem Studium ja einigermaßen fundiert aufsetzen konnte. Das ist einerseits gut, weil man sich selbst gut strukturiert aber man muss sich mit der Materie, von der man glaubt, man kennt und beherrscht sie perfekt, noch einmal ganz anders auseinandersetzen. Vergleichszahlen von anderen Gastronomen aufnehmen, externe Bewertungen anhören – das ist dann schon so etwas wie eine eigene Hypothese bestätigt zu bekommen. Wir hatten  dann erst mal sehr konservativ gerechnet und sind jetzt froh,  dass wir die Zahlen gut erreicht haben. Trotzdem: Auch mit einem Businessplan kann man die Zukunft nicht lesen. Es bleibt schwer, die einzelnen Faktoren vorauszusehen, Kosten für etwa eine Küche korrekt zu schätzen. Bei mir war der Aufwand für das Inventar schon immens, auch wenn man Gebrauchtes übernommen hat. Der Kaffeeröster hier im Laden – sicher wäre das einige tausend Euro billiger gegangen. Wenn man den in seiner Güteklasse schon mit einem Auto vergleicht: Das hier ist gehobene, obere Mittelklasse – das merkt man dann jedoch auch an der Qualität. Ich habe eine tolle Bankerin, sie hat sich da gut reingedacht. Es ist aber auch alles eine Frage der Vorbereitung. Ich wusste, was ich wann und warum machen muss. Und ich konnte die Bankerin mit meiner Begeisterung anstecken. Was ihr gefallen hat war, dass ich nicht gesagt habe, wir machen jetzt Kaffee wie an jeder Ecke und bieten dazu acht Kuchen an. Ich habe von den Referenzen und meinen klaren Vorstellungen gesprochen. Das kann ich auch jedem, der anfangen will nur als Tipp nahelegen. Man muss schon ein bisschen mehr haben, als die Einstellung, ich koche gerne, also kann ich’s.

Wie sieht es mit  Deiner Arbeitszeit aus?

Im ersten Jahr hatte ich eine durchschnittliche Arbeitszeit von 65 Stunden die Woche bei einem Ruhetag. Das hat sich auch nicht nennenswert verändert. Mittlerweile habe ich etwas weniger Präsenz im Laden, was damit zu tun hat, dass wir eine zweite Räumlichkeit hier im Gebäude haben, welche ich als Büro und unter anderem für den Onlineshop nutze. Ich habe Gastronomiekunden, für die ich Kaffee röste, und das Ladengeschäft. Man kann sagen, dass der stationäre Kaffeeverkauf rund ein Drittel meines Umsatzes ausmacht.

Was sieht Dein administratives Backoffice aus?

Das Backoffice bin ich und ich und ich. Natürlich ist da die Steuerkanzlei, die mir die Buchhaltung und die Lohnabrechnungen für die Mitarbeiter macht. Die haben aber natürlich genaue Anforderungen, wie ich die Unterlagen Monat für Monat abzuliefern habe. Belege in eine Kiste schmeißen und dann hinstellen – das läuft nicht! Zum Glück bin ich auch jemand, der gerne Ordnung hat und damit die Übersicht behält. Ich mach das nicht gerne, aber jeden Tag ein bisschen, damit sich das nicht aufstaut.

Welche Rolle spielt da das Kassensystem für Dich?

Wir haben Orderbird und es ist schön, dass ich viele Reporte machen und exportieren kann. Meine Steuerkanzlei (sitzt in Baden-Württemberg) kann damit zwar leider noch nicht optimal arbeiten, da ist aktuell noch immer ein Excel-Zwischenschritt nötig. Ich wünsche mir, dass ich das System noch stärker an meine Bedürfnisse anpassen kann.

Was ich aber toll finde: Orderbird reagiert auf jeden Verbesserungsvorschlag und – siehe da – entwickelt auch Lösungen weiter. Orderbird ist ein kleines Unternehmen, ist aber dadurch sehr nahe am Kunden dran und ich bin sehr guter Dinge, dass Manches, was ich jetzt noch vermisse, noch kommen wird.

Und in welche Richtung geht es im Mókuska weiter? 

Das Kaffeegeschäft wollen wir weiter ausbauen und entwickeln Zukunftsvisionen. Ich schaue bereits nach Räumlichkeiten, in die ich die Rösterei auslagern kann. Aktuell muss ich hier jeden Montag zu machen, um zu produzieren. Dazu kommen Schulungsanfragen, denn es gibt hier in Stuttgart nicht so unglaublich viele Leute, die so ein tiefes Kaffee-know how haben. Zur Zeit muss ich die meisten Anfragen vertrösten und sagen, dass wir uns nur an einem Sonntag treffen können. Dies kommt dann leider oft für Viele nicht in Frage. Es ist schwierig, aber ich kann mich auch nicht zerreißen. Ein weiterer Standort wäre also nicht schlecht, aber das ist etwas, dass Du gut planen musst. Es würde mich bei manchen Dingen entlasten, setzt aber wiederum voraus, dass das Café hier weiter läuft. Ich bin halt leider nicht der klassische Gastwirt, der mal zum Händeschütteln und zur Begrüßung kurz rauskommt. Wenn ich hier bin, bin ich auch zum Arbeiten hier.

Die Kunden und Stuttgart, verstehen die Dein Angebot und deine Ideen?

Zu Stuttgart im Ganzen kann ich gar nicht so viel sagen. Aber der Westen, das ist mein Kiez. Hier habe ich das, was ein echter Querschnitt ist. Schüler, die morgens kommen, Berufstätige in der Pause, sogar To-Go-Leute, denen ich immer sage, dass es aus der Tasse noch besser schmeckt. Das, was wir machen, ist für Stuttgart schon sehr neu. Das ist schon ein schmaler Grad. In anderen Großstädten ist das Konzept von Speciality Coffee schon verbreiteter. Dort geht es aber auch oft ein bisschen in eine urbane Hipster-Richtung. Die haben wir hier zwar auch, aber nicht so extrem und hier in Stuttgart sind die Leute total geerdet.

Deine langfristigen Perspektiven?
Arbeiten möchte ich immer. Wir beziehen ja von Anfang an nur direkt gehandelten Kaffee. Schön wäre es, wenn wir das ausbauen könnten und wenn ich mehr auf Kaffeereisen wäre. Mein Traum war immer, einmal selbst eine Kaffeefarm zu haben. Ob ich das in zehn Jahren schaffe, weiß ich nicht. Aber in der Zeit möchte ich unbedingt die Beziehung zu meinen Kaffeebauern intensivieren.