„Ich weiß, wo ich anfange und wo ich aufhöre“

Züleya Özülker hat mit ihrem Café Pförtnerhäuschen eine kleine bunte Oase im grauen Wizemann-Areal in Bad Cannstatt geschaffen.

Es ist wirklich tropisch hier, mit den Papageien, die von der Wilhelma her hier vorbei fliegen. „Für die Leute ist das hier wie Urlaub”, sagt Züleya Özülker, lacht und schaut sich um. Über den dunklen Industriebauten hat sich eine graue Wolkendecke gebildet. Leuchtend sticht sie in ihrem orangenen T-Shirt und ihren gebräunten und bunt tätowierten Armen hervor. Im ehemaligen Pförtnerhaus des großen Wizemann-Kulturareals betreibt sie auf nur 20 Quadratmetern ihr erstes eigenes Café. Den Namen „Pförtnerhäuschen“ hat sie beibehalten, was regelmäßig zu Verwirrung führt.

„Gibt‘s hier ein Pförtnerhäusle? Das hier sieht ja mehr nach einem netten Gastronomiehäusle aus. Kann ich hier ein Päckle abgeben?“, fragt eine Frau. „Kein Problem“, entgegnet Züleya in ebenso breitem schwäbischen Dialekt und stellt das Paket schnell zwischen Espressomaschine und Zimtschnecken ab. „Ich bin tatsächlich nebenher irgendwo noch Pförtner. Das ist hier nicht nur ein Beruf.“

Nach ihrer Jugend neben einem Bauernhof in Kirchheim-Teck und ihrem Realschulabschluss 1995, probiert Züleya einiges aus. Von Landschaftsgärtnerei bis zum Schuhverkauf. Bei der Dienstleistung ist sie geblieben. Und bei bunten Sneakern, in denen sie heute in ihrem ersten eigenen Café bedient. Dass das ihr Ziel war, hat sie schon früh gewusst. Einen „Dickkopf“ lässt sie sich zwar nicht nennen. Sie gibt aber schmunzelnd zu, dass sie schon immer sehr “willensstark” gewesen sei. Als sich ihre Eltern scheiden ließen, beantwortete die damals 12-Jährige die Frage, wo sie lieber wohnen wolle, mit: „Ich hätte gern meine eigene Wohnung. Ich kann mich selbst versorgen.“

Um Gäste beginnt sie sich wenig später, mit knapp 16 Jahren, bei ihrer ersten Ausbildung in einem Hotel zu kümmern. Obwohl ihr Vater in seiner türkischen Heimat selbst ein Hotel besitzt, kritisiert Züleya heute vieles an der Branche: Zu wenig Kommunikation, schlechte Bezahlung und oft schlechte Führung. Dabei ist Züleya nach ihrer Ausbildung ganz schön auf der Welt herumgekommen, in großen Teams und hat auch selber Teams geführt. Weit, weit weg vom kleinen Kirchheim unter Teck. Von London über Cambridge, dann zwei Jahre mit der Kreuzfahrtgesellschaft AIDA zur See – im Mittelmeer, in der Karibik, sogar im Pazifik.

Trotz der Tropen: Nur vier bis sechs Wochen im Jahr zu Hause war Züleya zu wenig. Sie sah ihr soziales Umfeld “komplett untergehen”. So führte die Kreuzfahrt der Karriere zurück in die Heimat. 2015 legt sie dann im Cannstatter Industriegebiet an. „Im Leben geht eben die eine Tür zu und die nächste auf“, resümiert sie.

Hier im „Pförtnerhäuschen“ öffnet sich die Tür zumindest ständig. Ein soziales Umfeld hat die Deutsch-Türkin hier gefunden. Wenn es regnet, drängen sich schon mal 25 Leute in dem winzigen Café mit seinen drei großen Tischen. Hier kommen sich die Besucher näher. Es sind hauptsächlich Angestellte aus den umliegenden Firmen. Nach Züleyas Minzlimo und Marmormuffins kehren sie glücklich zurück zu Business-Plänen und Powerpoint. Fröhlich winkt Züleya ihren Gästen durch die Glasscheiben hinterher:„ Ciao Jungs. Tschüssi, Ade. Bis Morgen!“

„Im Leben geht eben die eine Tür zu und die nächste auf“

Natürlich hat sie Angst gehabt. Angst, zu scheitern, Angst, nicht angenommen zu werden. “Aber ich lasse mich nicht in eine Schublade stecken.” Ab einem gewissen Alter sollte man sich so nehmen, wie man ist. Sie akzeptiere ja auch jeden. Auch die Herren im Anzug. Sie wird ungewohnt ernst: „Wenn ich meine Barista-Uniform trage, sieht auch keiner, dass ich Tattoos habe. Dann bin ich auch nur die schön geschminkte, feine Dame.“ Im nächsten Moment zerzaust sie ihre schwarzen, lockigen Haare. „Naja, heute morgen hat mir eher mein Kater die Frisur gemacht“, scherzt sie.

Eine Frohnatur. Das hat auch die Großmutter schon immer über sie gesagt. Das Urteil von Großmutter und Mutter bedeutet Züleya viel. Bei regelmäßigen Gremien in Kirchheim wird über kulinarische Neu-Kreationen entschieden. “Inzwischen kann mein Apfelkuchen sogar mit dem von Oma mithalten”, erzählt sie stolz. Und dann ist da noch die Schwester Denise, mit der Züleya sich die Wohnung teilt. Sie ist es, die Züleya davon abhält, zehn weitere Katzen zu kaufen und aus der gemeinsamen Wohnung einen Bauernhof zu machen. Denise steht ihr immer zur Seite steht, auch bei ihren Experimenten mit schwäbisch-türkischer Küche.

Denn auch bei Rezepten ist Züleya eigensinnig. Sie träumt von einem eigenen Kochbuch. Und von „vielleicht noch einem zweiten kleineren Lädle dazu.“ Noch kleiner? „Noch kleiner nicht. Aber zu groß halt auch nicht.”

Größer darf es am Wochenende trotzdem manchmal sein. Da zieht es Züleya oft zu Freunden nach Berlin. Da kann sie mal abschalten und mal den Kopf frei machen vom anstrengenden Alltag. Erholung, die sie braucht. Denn immerhin möchte sie, was sie jetzt macht gern bis ans Lebensende machen. „Warum denn nicht? Warum nicht?“, wiederholt sie etwas leiser. Und was sonst noch kommen mag? “Das werde ich sehen.” Traumpartner, Hochzeit, 4 Kinder. Wer weiß. Die Farben in ihrem Leben werden sich halten. Und sie wohl auch noch eine Weile als bunter Fleck im grauen Cannstatter Industriegebiet.